Sonntag, März 18, 2007

Peru

Peru

"Desierto de Sechura" (Wueste). Wind und eine Bitte an den lieben Gott. Luchos Radfahrerhaus.
Dienstag 07.11.2006 bis Dienstag 14.12.2006
Nun bin ich schon in Peru. Kann ich mir noch gar nicht vorstellen. Der Berge lasse ich erst mal links liegen (im wahrsten Sinne des Wortes). Jetzt ist es aber ein anderer "Freund" der Radfahrer (siehe dazu Bemerkung weiter unten "Die vier Feinde des Radfahrers"), der es mir angetan hat: Der Wind.
Ich fahr direkt an der Kueste entlang und da "steht" er meist von vorn. Meine Geschwindigkeit ist dabei oft nur um 15/16 km/h. Doch manchmal hab ich IHN auch im Ruecken, das ist dann ein Highlight des Tages, leider selten. Die Strasse fuehrt hier an der Kueste durch ein wuestenartiges Gebiet. Es ist zwar trocken und warm, aber durch den Luftzug schwitzt man kaum. Kein unangenehmes Fahren. Gestern hatte ich einen Wahnsinnsritt von 191 km ueber 11 Stunden (auch bei leicht welligem Gelaende mit 628 Hm), morgen werden es durch die Wueste 200 km (bisher meine einzige 200 km-Strecke auf dieser Tour) und daher goenne ich mir heute einen Ruhetag, denn es heisst zeitig aufstehen und gegen 5 Uhr losfahren.
Leute, seit Panama fuehle/weiss ich, dass ich die Tour schaffen kann. Koennt ihr euch vorstellen, in was fuer einer Stimmung ich mich befinde ?
4 Tage spaeter in Trujillo: Es wurden keine 200 km. Nach 12 ½ Stunden Radfahrt (15 Stunden unterwegs) war ich am Ende meiner Kuenste/Kraefte. Es war finster und die "Policia carretera" hatte Erbarmen und nahm mich an einer Mautstelle fuer eine Nacht bei sich auf, denn im Ort gab es kein Hotel und zelten war unmoeglich. Die naechsten Tage verstaerkte sich der Wind noch und uebermorgen werde ich wieder in die Berge "fluechten". Sie sind "nur" das Fegefeuer im Vergleich zur Hoelle des Windes.
Bei der Fahrt durch die Wueste koennte etwa folgendes Gedanken-Gespraech stattgefunden haben.

"Lieber Gott" - so es dich gibt -, "gib mir doch mal 100 oder 200 km mit leichtem Gefaelle und ein wenig Rueckenwind oder auch nur eines von beiden, aber auf keinen Fall Gegenwind oder Berge."
"Mein Sohn", so sprach der Herr, "waerst du Gottloser doch die Strecke andersherum, von Sued nach Nord gefahren, haettest du die letzten drei Tage Rueckenwind gehabt."
Der Teufel, diabolisch grinsend: "..... und dabei halten wir noch schoene Gegenwindstrecken fuer dich bereit."
Und vorgestern (Sonntag 12.11.2006), wo es am schlimmsten war, fasste ich den Entschluss von der Hoelle doch erst mal wieder ins Fegefeuer auszuweichen, d.h. zwar den Teufel mit dem Belzebub austreiben. ABER wenn man bergauf faehrt, faehrt man irgendwann wenigstens wieder mal bergab, aber Gegenwind bringt nicht automatisch Rueckenwind an anderer Stelle, nur wenn man Glueck hat, erwischt man auch mal welchen. Allerdings kann auch Gegenwind mal aufhoeren, doch darauf hatte ich drei Tage vergeblich gehofft.

Heut am Dienstag hab ich mich am Computer geschafft und der hatte auch seine kleinen Teufelchen, da der Server mit dem Blogger nach dem Bildereintragen Probleme hatte, uebertrug er mir erst mal 25 Bilder nicht und ich musste sie erneut eingeben.
Hier in Trujillo gibt es ein Radfahrerhaus. Ein ehemaliger Spitzenrennfahrer, der auch noch aktiv faehrt, nimmt in seinem Haus einfach jeden auf, der auf grosser Radreise ist. Lucho hat ein dickes Gaestebuch (ein paar Baende), wo sich alle eintragen, die auf grosser Fahrt unterwegs sind. Er weiss zwar nicht von allen das Alter, aber zu den aeltesten, die Alaska - Feuerland oder umgekehrt fahren, gehoere ich schon. Z.Zt. sind ausser mir noch an Francokanadier und ein russisches Paerchen aus Petersburg im Haus. Es ist wie eine Familie und wir tauschen natuerlich inbesondere unsere Streckenerfahrungen aus. Es ist grossartig und veranlasste mich, einen Tag laenger zu bleiben. So konnte ich das Tagebuch aktualisieren und auch nuetzliche Hinweise fuer die weitere Tour sammeln.

Gruene Wueste. Machu Picchu. Die Linien von Nasca. Ein falscher "Fuffzcher". Ein Heim fuer Kinder - Hilfe fuer Kinder
 
Mittwoch 15.11.2006 bis Samstag 02.12.2006
Von Trujillo nahm ich nun doch erst mal den Weg an der Kueste entlang nach Lima. Es war eine herrliche Fahrt, teilweise sogar mit Rueckenwind durch die Wueste. Zuerst ging es durch ein Gebiet, wo man mit einem ehrgeizigen Programm an der Kueste versucht, die Wueste fuer Pflanzenanbau zu nutzen - und soweit ich das beurteilen kann - auch mit Erfolg. Es ist erstaunlich zu sehen, wie sich grosse Gruenflaechen auf dem Wuestensand ausbreiten, durch Bewaesserung erhalten werden und auch Tieren (Voegeln !) einen neuen Lebensraum bieten. Im Landesinneren beeindruckt die Wueste durch ihre Erhabenheit und Stille (wenn keine Auto kommt). Ich liebe diese karge Landschaft, so dass es mir eine Freude war, dort zu fahren.
Es fuehrt eine sechsspurige autobahnaehnliche Strasse durch Lima, die man als Radfahrer benutzen darf, aber es erfordert vollste Aufmerksamkeit und Kaltbluetigkeit, sich zwischen all den LKW´s, Bussen und PKW´s zu bewegen. Am sichersten fährt man ganz links. An den naechsten Tagen machte das Radfahren mal wieder richtigen Spass fast ohne Wind und mit Steigungen, die sich im Rahmen des Ertraeglichen halten.
In Nasca legte ich einen Stopp ein, um mein Rad unterzustellen und in einem Kurztrip (14 Stunden Busfahrt !) nach Cusco zu fahren. Dort sah ich mir die eindrucksvolle Kathedrale an, eine Kirche (eigentlich die Verbindung von drei Kirchen), wie ich sie in ihrer Ausschmueckung noch nicht gesehen hatte. Und natuerlich fuhr ich mit der Eisenbahn (diese Fahrt allein durch das Urubamba-Tal ist ein Erlebnis, eine spektakulaere Streckenfuehrung, teilweise im Zick-Zack vor und zurueck, um auf diese Weise an Hoehe zu gewinnen ) zum Machu Picchu, einem Inka-Siedlungsort, der 1901 durch Bauern wiederentdeckt, aber erst 1911 von der wissenschaftlichen Welt wahrgenommen wurde.
Zurueck von Cusco flog ich ueber den "Linien von Nasca" jenen raetselhaften Figuren auf einer Hochebene im Gelaende um Nasca, um deren Dokumentation und Erforschung sich die Dresdner Wissenschaftlerin Maria Reiche verdient gemacht hat (Ich hatte schon das Museum in Ica besucht). Als ich einen Besichtigungsturm vor meiner Einfahrt nach Nasca bestieg und mich als Deutscher zu erkennen gab, sagte mir der Kassierer (1 Sol = 0,25 Euro) auf deutsch, dass Maria Reiche aus Dresden stamme. "Ich auch", antwortete ich, was ihn erfreute und er nach einer Postkarte von Dresden fragte. Als ich ihm eine der wiederaufgebauten Dresdner Frauenkirche gab, war er selig.
Bei der Abfahrt aus Nasca drehte man mir eine 50-Sol-"Bluete" (ca. 12,50 €) an, was ich bzw. die Bedienung einer Gaststaette erst 6 Stunden spaeter feststellten.
Von Nasca ging es drei Tage an der Kueste entlang und die Hoelle hatte wahrscheinlich wieder neue Kohlen bekommen und das Hoellenfeuer (sprich: den Gegenwind) neu entfacht. Durchschnittsgeschwindigkeiten um 13km/h und reine Fahrtdauern von jeweils etwa 10 Stunden waren da angesagt. Und dann konnte ich hinter Camana bei einem 15 km langen Anstieg nach 6 km nicht widerstehen "fremdzufahren". Ein LKW-Fahrer hielt von sich aus an (der erste seit Alaska) und bot mir an, mich anzuhaengen bzw. nach weiteren 3 km das Rad aufzuladen und mitzufahren. Ich wollte ja eigentlich nur den Berg hinauf, aber konnte dann der Versuchung, d.h. des draengenden Angebotes des Fahrers ("Es geht noch zweimal lang und steil hoch und wir nehmen dich sogar bis Puno mit") nicht ganz widerstehen und liess mich wenigstens bis Arequipa mitnehmen. Ich sparte einen Fahrtag, denn mit dem Rad haette ich die Strecke (180 km bei 2.300 Hm) an einem Tag nicht geschafft. Wer sich je am Berg geschunden hat, wird das verstehen. Mir entgingen an diesem Tag allerdings auch einige schoene Rueckenwindstrecken und Abfahrten.
Jetzt bin ich in Arequipa in einer Einrichtung, die wir - meine Frau und ich -schon seit Jahren ueber eine Schweizer Missionsgesellschaft unterstuetzt hatten.
Ich wohne in einem kleinen Zimmer im Haus einer Art WG, aber anders als bei uns. Dazu gehoeren: eine Peruanerin (25), ein peruanisches Paerchen mit einem 9 Monate altem Kind, eine Junge, Sixto (12) und ein Maedchen, Martha (15). Die zwei Kinder sind im Gebiet um Cusco zu Hause und lebten in 4.000 m Hoehe. Das Maedchen konnte die Sonnenstrahlung nicht vertragen und hatte eine akute Sonnenallergie, der Junge konnte wegen Armut der Mutter (8 Kinder, Vater an TBC gestorben) nicht mehr zur Schule gehen. Diese zwei haben jetzt hier in dieser kleinen Familie ein zu Hause gefunden, gehen zur Schule und sind froehliche Kinder. Heute hab ich mit ihnen einen Teil des Gartens umgegraben. Es stimmt einen sehr nachdenklich zu sehen, wie Kinder hier um eine Bildung ringen muessen, die ihnen in unserem Lande geradezu in den Schoss faellt. Mit dieser "Familie" werde ich sicher einen froehlichen, besinnlichen 1. Advent feiern. Sie werden singen, wir werden am Vormittag Stollen und Plaetzchen backen und ich werde sie (leider) am Montag verlassen, aber mit einem Gefuehl des Bedauerns und sogar ein bisschen der Scham, ein Gefuehl, das man nicht beschreiben kann.
Diese Einrichtung finanziert sich ausschliesslich von Spenden aus Deutschland, der Schweiz, den USA und wird auch weiterhin im bescheidenen Rahmen von uns unterstuetzt werden. Ich komme bei Gelegenheit darauf zurueck !

4.528 m ! Ueber den Titicaca-See.
 
Sonntag 03.12.2006 bis Samstag 09.12.2006
Es waren bei der Strecke von Arequipa nach Juliaca scheinbar "nur" 1.500 Hm zu ueberwinden (2.300 m auf 3.800 m), doch mein Hoehenmesser zeigte zwischenzeitlich 4.200 m (eine amtliche Angabe lautete sogar 4.528 m) und in dieser Hoehe fuhr ich fast 2 Tage. Da macht sich mangelnde Anpassung stark bemerkbar: leichte Kopfschmerzen und sehr schnell Ermuedung, so dass ich oft absteigen und ausruhen, ja (bei einer Uebersetzung von 22 : 32 !!!) sogar absteigen und schieben musste und das in einem Gebiet, wo die Hauptsteigungen schon hinter/unter mir lagen. Fuer 400 km brauchte ich 4 ½ Tage und war an jedem Abend geschafft. Dabei waren die Uebernachtungsmoeglichkeiten - wenn ueberhaupt vorhanden - sehr einfach und anspruchslos. Einmal schlief ich in einer Polizeistation.
Heut bin ich in Puno angekommen, das waren nur 52 km. Doch ich merkte, dass ich schon bestens hoehenangepasst bin, denn ich hatte an einem langen Anstieg keine Konditionsprobleme und die Beine wurden nicht schwer. Morgen frueh geht es mit einem kleinen Privatboot fuer viel Geld ueber den Titicaca-See zur bolivianischen Grenze, am Abend werde ich in Copacabana (Bolivien) sein und damit Abschied von Peru nehmen - ein Land das mir kraeftemaessig viel abgefordert hat, das mir aber auch viel gegeben hat, an Naturerlebnissen und sozialen Einblicken. Mein halbtägiger Aufenthalt in Puno liess mich diesen Touristenort und sein Leben etwas naeher kennenlernen.

Statistik:
Peru: 2.690 km (+ 52 km), 13.100 Hm, 173:13 Std. (225:05 Std.)
21 ½ Tage, 7 ½ Ruhetage, 3 Exkursionstage
125 km /Tag, 15,5 km/Std., 609 Hm/Tag, 487 Hm/100 km

Tourverlauf:
Huaquilla (Grenze) - Tumbes - Talara - Sullana (1A) - Piura - Chiclayo - Trujillo - Chimbote - Barranca (1N) - Ancón (NS) - Lima (1N) - Chinca Alta - Piso - Ica -Nasca (1S) - [Nasca - Cusco (26A mit Bus) - Machu Picchu (mit Eisenbahn und Bus); gleicher Weg zurueck nach Nasca] - Lomas - Atico - Camana (1S) - (von 21 km hinter Camana mit LKW bis...) Arequipa - Juliaca (28, 30B, 30A) - Puno (3S) - mit Barke ueber Titicaca-See bis Yonguyo (mit Rad) zur Grenze nach Bolivien (o.Nr.) - Copacabana (Bolivien)
Fotos nach Bolivien

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen